Gießener
Anzeiger, 28.04.00
city.mag 4/2000
EXPRESS 14/00
Gießener Allgemeine
Zeitung 26.04.00
Gießener Anzeiger 26.04.00
Gießener Anzeiger,
13.09.00
Gießener Anzeiger, 28.04.00
ES PASSIERT WAS
Neues vom Treffen der Kulturschaffenden
Dienstag abend, Berliner Platz, ein Kasten Bier,
ein paar Fackeln, einige Menschen. Ein großes Tuch verhüllt
einen Gegenstand. Ein neues Kunstwerk? Ein Denkmal? . An der Kreuzung
werden Autofahrer die an der Ampel stehen aufmerksam, ein paar hupen
und winken. Das Tuch fällt und enthüllt ein Schild: Es
passiert was steht in großen Lettern geschrieben. In der Mitte
des Schildes prangt ein Loch durch das man vor gut zwei Jahren noch
das Behördenhochhaus hätte sehen können. Das Impressum
auf der Unterseitedes Schildes könnte Aufschluss über
den Sinn dieser Aktion geben, aber noch ist es unbeschriftet und
leer. Aus der Gruppe der Umstehenden treten zwei junge Männer
und schrauben das erste Logo auf, die beiden, Oliver Donait und
Mathes I von Oberhessen vertreten die Undergroundkünstlergruppe:
Psycho Hazards Almighty Arts und sind gleichzeitig die Erbauer des
Schildes. Jetzt treten auch andere vor und platzieren die Logos
ihrer Initiativen, Vereine und Künstlergruppen auf dem Schild.
Was aber ist dieses: Es passiert was?
ES PASSIERT WAS ist der Titel eines Eventreihe,
die ab April monatlich in Gießen präsentieren wird. Minimalistisch,
pompös, laut und sanft, politisch oder gedankenfrei, schrill
und bodenständig - alles ist möglich. Es passiert, es
geschieht und geht vorbei und entweder man ist dabei - oder verpasst
was. Niemand weiß was uns dort erwartet aber auch das gehört
zum Programm. Ein Geheimnis, Lust und Neugier auf Unerwartetes.
Jeden Monat wird eine Holzplatte von einer Initiative
mit Informationen gefüllt und gestaltet, die dann in die Mitte
des Schildes eingesetzt wird., Datum, Ort und Uhrzeit des Eventbeginns
werden bekannt gegeben aber keiner, außer den Initiatoren
selbst, wird wissen was an diesem Tag genau geschieht.
Jedes Event wird komplett anders sein als das vorherige
und das erklärt sich fast von selbst betrachtet man die Vielfalt
und Anzahl der beteiligten Initiativen, Künstler und Künstlerinnen,
die sich seit Mai 1999 einmal im Monat treffen:
KIG (Kulturinitiative Gießen)
MuK (Musik- und Kunstverein)
Jokus
Neuer Kunstverein
Giessener Improvisers Pool
Ausstellungsbüro Bunte
Galerie H. Remmele
Kino Traumstern
Neue Giessener Kulturoffensive
NKI (Neue Kulturinitiative)
P.H.A.A. (Psyco Hazards Almighty Arts)
Terraforming/Weltenbau
Frauenkulturzentrum
Kultur=Offensive gegen den Krieg
Infoladen
VIBB (Verein für interkulturelle Bildung und Begegnung).
Informationsaustausch, Terminabsprachen, Weitergabe
von Knowhow und das Entwickeln gemeinsamer Ideen und Projekte stehen
auf der Tagesordnung dieser Treffen. Gießen kann und muß
mit uns rechnen ist ihr Motto. Lassen wir uns von ihrem neusten
Projekt überraschen.
city.mag 4/2000
Es passiert was
Zwei Veranstaltungen in diesem Monat stehen dafür,
dass sich in Gießens Kulturszene eine Notwendige Veränderung
abzeichnet. "Es passiert was" heißt eine neue Veranstaltungsreihe
aller Initiativen, die viel verspricht. "Kunst in der City"
schließlich ist eine Veranstaltung des Arbeitskreises Handel,
bei der erstmals das Kulturamt und der Musik- und Kunstverein (MuK)
mit im Boot sind
Dass die Gießener Kulturinitiativen zu sehr nebeneinander
her werkeln, ist schon lange bekannt. Dass sie unter chronischer
Finanznot leiden ebenfalls. Zwei Veranstaltungen in diesem Monat
zeigen, wie die Veranstalter ihre Situation verbessern.
"Kunst in der City", die schon bekannte Veranstaltung
des Arbeitskreises Handel, ist ziemlich umgekrempelt worden. Das
Ergebnis: Die Stadt ist jetzt mit im Boot, der MuK ebenfalls und
es wird nach Bremer Vorbild als Straßenkunstfestival stattfinden.
"Es hat sich gut gefügt" meint Anette Eidmann vom
Kulturamt,"das fast gleichzeitig Robert Balser vom AKH mit
der Hilfe um inhaltliche Unterstützung und Herbert Elischer
von der Percussionsgruppe "kassadondo" mit der Samba-Idee
zu mir kamen" Die Gruppe Kassadondo macht schon seit Jahren
regelmäßig bei Samba-Straßenfesten in Berlin und
Bremen mit. Elischer ist denn auch maßgeblich an der Auswahl
der Gruppen für den Samba-Umzug betteiligt, während der
MuK für die Verträge und die Gagenabwicklung verantwortlich
ist. "So halten wir die Kosten niedrig" meint Anette Eidmann,
"denn weder der MuK noch Herr Elischer oder gar das Kulturamt
kriegen eine finanzielle Gegenleistung für ihre Arbeit".
Und doch ist die Zusammenarbeit der Künstler oder des MuK mit
dem Arbeitskreis Handel perspektivisch sehr wichtig. Hier sind potenzielle
Sponsoren für die Zukunft zu finden, hier kann sich ein Kulturveranstalter
profilieren. Profilierung ist nicht nur gegenüber möglichen
Geldgebern angesagt. Auch der Rezipientenkreis will erweitert werden.
Gießens Kulturveranstalter der freien Szene treffen sich einem
Jahr regelmäßig, jetzt treten sie mit einer neuen Veranstaltungsreihe
an die Öffentlichkeit. "Ob Südanlage 20, MuK, oder
Neuer Kunstverein", sagt Koordinatorin Sara von Jan vom MuK,
"jeden Monat ist eine anderer Veranstalter dran. Wo und was
passiert, soll per Mundpropaganda verbreitet werden": Natürlich
nicht nur. Am Berliner Platz wird schräg gegenüber vom
Theater auf dem Gelände des ehemaligen Behördenhochhauses
schon bald ein Wechselrahmen stehen. "Ein bis zwei Wochen vor
dem Ereignis geben wir Zeit und den Ort bekannt" sagt Volker
Bunte vom Kunstverein, der im April dran ist "was wir machen
werden sagen wir allerdings nie vorher." Blind Dates der Kultur
sollen Konsumenten anregen, doch auch mal die Genres zu wechseln,
mal wieder in ein Konzert zu gehen und nicht nur in Ausstellungen.
Sie sollen aber auch dafür sorgen, dass die Veranstalter in
breiteren Kreisen bekannt werden. Dann erst hat Erfolg, was die
Initiativen außerdem noch vorhaben. "Wir wollen demnächst"
sagt Volker Bunte, "unter der Leitung von Günther Boyens,
der hier die Militärführungen macht, eine Führung
durch die Stadt veranstalten, um alle leer stehenden Gebäude
zu besichtigen." Das wird allein in der Bahnhofstraße
ganz schön lange dauern, steht dort doch fast jedes Gebäude
leer, angefangen beim ehemaligen Café Schwarz über das
Postgebäude und dem alten Hauptzollamt bis hin zum neuen Postgebäude,
das demnächst zur Hälfte leer stehen soll. "Hier"
sagt Bunte, "ist die ganze Ecke tot". Andereseits sucht
der Neue Kunstverein mittelfristig Räume, und die Leute von
der Südanlage eher gestern als heute, und und und ...
Ob durch die Öffnung zur Geschäftswelt, in Form besonderer
Veranstaltungen oder durch intelligente kulturpolitische Happenings:
In Gießens Kulturszene passiert was!
Jürgen Wittner
EXPRESS 14/00
"?Es passiert was!"
So lautet die vielversprechende Losung eines Zusammenschlusses
von Gießener Kulturschaffenden, die seit Ende März unübersehbar
am Berliner Platz aufragt und eine Reihe von monatlichen Veranstaltungen
einleitet. Über die einzelnen Events hüllt man sich in
PR-wirksames Schweigen; dass es interessant wird, scheint außer
Frage zu stehen, war doch einer der Enthüller des plakativen
Mottos der selbstgekrönte Mathes I. von Oberhessen, Mitglied
der Underground-Gruppe P.H.A.A. (Psycho Hazards Almighty Arts).
Auch die weiteren Kürzel stammen aus dem Gießener Kultur-Who's
Who: MuK, KIG, NKI, NGKI, VIBB...unter den Nichtabgekürzten
finden sich der Infoladen, der Improvisers Pool, das Jugendzentrum
Jokus und viele bekannte Namen mehr. Wir sind gespannt.
Stefan Balzter
Gießener Allgemeine Zeitung 26.04.00
Mit dem besonderen Charme der Unvollkommenheit
Finissage beim Neuen Kunstverein Gießen und 1. Event der Gruppe
freier Kulturschaffender im Hof des Liebig-Museums
"Es passiert was", verkündet
eine große Tafel auf der Wiese am Berliner Platz. Mit ihrer
Aufstellung machte unlängst die Gruppe freier Kulturschaffender
in Gießen auf sich aufmerksam, die fortlaufende Bestückung
geschieht durch die diversen Mitglieder. Am Ostermontag erfolgte
der "1. Event" im Hof des Liebig-Museums, ausgerichtet
vom Neuen Kunstverein Gießen. Dieser hatte die Gelegenheit
genutzt, die Finissage seiner Ausstellung "Der Waas-Komplex"
von Marko Lehanka mit einer abendlichen Großraumveranstaltung
zu beenden.
Dabei hatte man keine Kosten und Mühen gescheut, angefangen
beim Video-Beamer und der 3x4 Meter großen Leinwand über
die regen-sicheren Sitzmöglichkeiten bis zu Bratwürstchen
vom Rost und Getränken. Wenn nur das Wetter besser mitgespielt
hätte. Zur späten An-
fangszeit um 22 Uhr hatte es sich nach diesem regnerischen Ostermontag
doch reichlich abgekühlt, und was an einem lauschigen Sommer-abend
zum amüsanten Open-Air-Kino mit anschließendem Geplauder
geworden wäre, geriet eher zur Durchhalteaktion.
Gezeigt wurden Videos von und über Marko Lehanka. Den Einstieg
machte auf Französisch Jean Christophe Amman, Leiter des Museums
für Moderne Kunst in Frankfurt. Dort wird Lehanka innerhalb
des aktuellen "Szenenwechsels" ein ganzer Raum zur Verfügung
gestellt, da Ammann ihn als Poeten unter den Künstlern hochschätzt.
Etwas später folgte im Video die "Kulturzeit" (3
Sat) mit einem Bericht über Lehanka und seine "zwischen
Sinn und Unsinn pendelnde Kunst, mit der er die hehren Absichten
nach Wahrheit unterlaufe". Auch hier war
Amman zum Kommentar gebeten, für den Humor der Berichterstattung
sprach die Positionierung des Redners zwischen zwei rot angemalten
Schweineöhrchen. Von Lehanka, versteht sich. Dieser entführte
die Zuschauer nach Florenz, wo er in italianisierendem Sprachgemisch
den kulturell ambitionierten Reiseführer mimte. Im Odenhäuser
Steinbruch spielte er dann mit Freunden Krieg und demonstrierte,
was geschickte Kameraführung und suggestive Geräuschuntermalung
in einem Film ausmachen. Gewehrsalven und das Schreien der Akteure
versetzten reichlich in Unruhe, obwohl in Nahaufnahmen das unsoldatische
Outfit der tapferen Mannen die Lachmuskeln reizte. Die nächste
Persiflage galt den historischen Städteporträts, die in
so mancher TV-Kultursendung zu sehen sind. Objekt der Begierde war
hier
sein Geburtsort Lollar, der bei einem Interviewten "als Arbeiterstadt
keinen Eindruck" hinterlässt und als bemerkenswertesten
Ort den Dorf-brunnen aufweist. Das nächste Fernziel war St.
Nazaire in France, wo Lehanka und Freunde die "Alltagstauglichkeit
eines Kunstwerks" erprobten (0-Ton hr3 Kulturreport).
Genauer gesagt wurde eines seiner aus Abfallholz zusammengezimmerten
Objekte, in diesem Fall ein Boot, zu Wasser gelassen und emsig gegen
den Wellenansturm gerudert. "Den Dilettantismus zur Methode
erhoben" habe dieser Künstler, so der hr3-Kommentar, und
in alle seinen Kunsterprobungen behalte er den "Charme der
Unvollkommenheit". Jeden Monat soll es künftig einen Event
unter dem Motto "Es passiert was" geben; der nächste
findet in den Marktlauben statt. Soviel wurde vorab verraten. dkl
Gießener Anzeiger 26.04.00
Von der Kunst bleibt nur Erde übrig
Gießener Editionen zum Ende der Lehanka-Schau vorgestellt
GIESSEN. Mit drei Ausstellungen im Liebig-Museum
ist der 1998 gegründete Neue Gießener Kunstverein seit
vergangenem Sommer an die Öffentlichkeit getreten: Der Berner
Künstler Heinz Brand zeigte die Installation ,,gold light district",
die in Rom lebende Schweizerin Cecile Hummel Fotografien und Zeichnungen
unter dem Titel ,,luoghi memorie", schließlich der in
Lollar und Frankfurt 1 Aktions- und Installationskünstler Marko
Lehanka sein Themenkonglomerat ,,Der Waas-Komplex". Die Finissage
letzterer Ausstellung gibt nun Gelegenheit zur Rückschau auf
ein erstes Jahr eines hochprofessionellen und durchaus erfolgreichen
Forums zeitgenössischer Kunst in Gießen.
,,Von Anfang an war geplant, etwas. Anders dagegen Hummel, deren
3U, davon 19 verkäufliche, Fotomäppchen ,,luigi memoirie"
den Raum des Museums kommentieren und damit einen interessanten
Kontrapunkt darstellen zur Ausstellung, die aus in Rom entstandenen
Fotografien und Zeichnungen besteht und damit eben nicht den Ortsbezug
hat, den die nun nachgereichte Edition herstellt. Brand schließlich
dokumentiert mit dem auf elf Exemplare limitierten Foto ,,gold 1ight
district"einzia seine eigene Installation im Keller des Museums.
Fünf Ausstellungen plant der Neue Gießener Kunstverein
für das laufende Jahr, dazu kommt die Zentrumsfunktion für
Belange zeitgenössischer Kunst und deren Grenzbereiche, die
der Verein am späten Abend des Ostermontags im Hof des Liebig-Museums
mit dem ersten Event der von verschiedenen Kulturinitiativen getragenen
Reihe ,,Es passiert was" unter Beweis stellte. Für die
Zukunft ist ihm nur das Beste zu wünschen.
Falk Schreiber
"Neugierig auf Neugier der Menschen"
GIESSEN. Keine Wand ist gerade, nirgends ein rechter
Winkel. Man muss den Kopf einziehen, um von dem spärlich beleuchteten
Hauptraum in die angrenzenden Kellergewölbe zu gelangen. Auf
den ersten Blick sind die Ausstellungsräumen des Neuen Kunstvereins
Gießen für verschwörerische Geheimtreffen oder das
Drucken von Falschgeld eher geeignet als für die Präsentation
bildender Kunst.
Dem zweiten Blick enthüllt ich der Ort dann aber als reizvoll,
sperrig und charmant. Eine Herausforderung für die ausstellenden
Künstler, für die Besucher und für die, die
Bunte diesen Ort ausgewählt haben als Raum für kontinuierliche
Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst. Diese Auseinandersetzung
zu fördern, den Blick zu schärfen und damit das Kunstverständnis
in der Bevölkerung z,,1 erweitern, haben sich der Kunsthistoriker
Volker Bunte und weitere sechs Gründungsmitglieder auf die
Fahne und in die Satzung geschrieben. Doch Papier ist bekanntermaßen
geduldig und ,,Auseinandersetzung" ist einer der Begriffe,
die heutzutage bis zum Platzen strapaziert werden.
Oft gleicht die Verwendung des Begriffes mehr einem hilflosen flehen
denn der Beschreibung des Ist-Zustandes. An diesem Ausstellungsort,
in den Kellerräumen des Liebig-Museums ist das anders, hier
wurde nachgedacht' und klug konzeptioniert: Jede Ausstellung wird
von drei bis vier ,,Gesprächen in der Ausstellung" begleitet,
die jeweils sonntags stattfinden. Anwesend sind die Künstler
selbst oder Vertreter des Vereins, die auf die Schauenden zugehen,
Gespräche entstehen lassen und neue Formen der Rezeption entdecken
auch für sich selbst.
,;Wir sind neugierig auf die Neugier der Menschen", sagt Bunte,
der gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen, Professor Marcel Baumgartner,
etliche dieser Gespräche geführt und erlebt hat. Die Gesprächsangebote
werden angenommen, das Konzept geht auf. Seit der Gründung
des Vereins 1998 und dem Einzug in die genannten Räume im Mai
1999 wurden dort, bislang drei Ausstellungen eröffnet, über
die man sich, wie auch über das aktuelle Programm auf der
Homepage www.kunstverein-giessen.de informieren kann.
Für die Zukunft wünschen sich die Organisatoren, dass
noch mehr Gießener die Angebote des Vereins nutzen und dass
die Auseinandersetzung mit Kunst ein Teil des Stadtalltags wird.
Bunte sagt, und dabei blitzt es in seinen Augen: "Ich möchte,
dass ein Ausstellungsbesuch so selbstverständlich wird, wie
ein Buch zu lesen, ins Kino zu gehen oder in der Kneipe einen zu
trinken. Das ist mein Traum."
Sara von Jan
Giessener Anzeiger, 13.09.00
Eine alte Dame suchte bald das Weite
"Lahnbeat"-Autoren lasen für die Schiller-Eiche
Gießen (svj) Mit dem Fahrrad, Kinderwagen oder
einer Picknickdecke waren sie gekommen, mit Sonnenbrillen, kurzen
Hosen und Röcken und eine alte Dame mit Seidenhalstuch. Ein gemischtes
Publikum bestieg am Sonntag Abend den Lutherberg um die Gedichten
und Kurzgeschichten der Lahnbeatautoren zu hören. Um zuzuhören,
was die Autoren, der seit 1999 bestehenden Lahnbeat-Literaturbewegung,
der Schiller-Eiche zu sagen hatten. An diese nämlich richtete sich
die zweistündige Lesung, die Wolf Schreiber, nach ein paar einleitenden
Worten von Florian Michnacs, mit dem Vortrag von Kurzlyrik begann.
Die Gedichte Schreibers, mit postpupertären Zwangsvulgarismen gespickt,
vertrieben dann auch sogleich die alte Dame, die dann leider nicht
mehr in den Genuß der neuen Schreiber`schen Episode der Fortsetzungsgeschichte
"Larry Rottan - Autofreie Innenstadt" kam, einer Kreuzung von Groschen-Detektiv-Romanen
und der gelungenen Persiflage auf den amerikanisch-literarischen
Hip-Trash.
Bemerkenswert auch die Kurzgeschichte "Auf dem
Lande" von Hess Paul: "Zur Abwechslung wird jetzt also eine Scheune
gebrandstiftet, bauernflämmlich, züngelnd, strohknistern rauchend
und holzberstkrachend". Eine Geschichte über trunkene, hole Lebenslust,
über Dekadenz, Sinnstiftung, Sattheit, das Nächstbeste gegen den
Schmerz und zerstörerische Leere, pointiert beobachtet und geschrieben
und so eindringlich vorgetragen, daß man die laute Musik, die Feiergeräusche
aus der Luthergemeinde nebenan vergessen konnte.
Arpan, der sich, ob der einfachen aber auch durchaus
humorvollen Didaktik seiner Gedichte, wohl gut mit Berthold Brecht
verstanden hätte, las zunächst dem Baum "Die Bürgschaft" vor, vielleicht
um das Gewächs daran zu erinnern, für wen es hier einsteht und auch
B Ohne setzte sich mit dem großen Dichter des 18. Jahrhunderts auseinander,
der durch die unsachgemäße Vermittlung von Deutschlehrern, Generationen
von Schülern das Fürchten gelehrt hat. So scheinbar auch B Ohne,
der seine drei Texte mit den Worten "Schiller und die Eiche sind
stocksteif, erzählen Geschichten - sind Geist!" einleitete. Drei
unterschiedliche Texte, die man wohl in Ruhe und Zuhause selber
lesen müßte um einen Sinn- oder zumindest Sprachlust zu entdecken.
Florian Michnacs las den Prolog seines neuen Romans;
Titel des Prologs; "Das Verbrechen als ein Ereignis mit Zufallscharakter",
dem ein authentischer Fall, der erst kürzlich durch die Medien ging
Vorlage war. Ein Soldat begleitet nach einem feuchtfröhlichen Abend,
das eben erst kennengelernte Paar in ihre Wohnung und sticht unvermittelt
mit dem Messer auf sie ein, der Mann stirbt... die Frau überlebt
schwerverletzt. Sprachlich springt der Text zwischen unterschiedlichen
Erzählstrukturen und verlangt ein Einlassen, das aber lohnt sich.
Allen Texten gemein war die artistische Verschärfungen
von Avantgarde-Standpunkten.. Gewöhnungsbedürftig sagte einer aus
dem Publikum - nein, nicht gewöhnungsbedürftig, da man sich an solche
Texte nicht gewöhnen sollte - aber lesen sollte man sie! Und passiert
ist etwas an diesem Abend, nicht nur einem wehrlosen Baum.
Von Sara von Jan
(ungekürzte Originalfassung der Redakteurin)
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